Beschäftigungsboom durch Hartz IV Aufstockung

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"Jobwunder" nur durch Hartz IV Aufstockung möglich

02.05.2012

Der von der Bundesregierung propagierte Beschäftigungsboom liegt im überwiegenden Maße an einem Aufschwung in der Dienstleistungsbranche. Gerade aber in diesem Sektor ist die Bezahlung aufgrund fehlender Mindestlöhne so gering, so dass die meisten Beschäftigten mit Hartz IV-Leistungen aufstocken müssen. Das ergeht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion „Die Linke“.

So müssen allein 356.000 Angestellte der Reinigungs- und Verkaufsberufe zusätzlich ihren Lohn mit Hartz IV aufstocken, weil die Gehaltszahlungen nicht ausreichen, um über das Existenzminimum zu kommen. Insgesamt ist etwa jeder zehnte sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer im Sektor „Reinigungsservice“ auf ergänzende Arbeitslosengeld-II Zahlungen angewiesen, wie es in der Stellungnahme hieß. Zu den zehn Berufsfelder, in den die meisten Menschen mit Sozialleistungen aufstocken müssen, gehören Bürokräfte, Köche, Lager- und Transportarbeiter, Gästebetreuer, Sozialarbeiter, Erzieher, Hilfsarbeiter und Verkehrsangestellte. In den genannten Berufen mussten fast eine Million (914.000) Arbeitnehmer aufstockende Hartz IV-Leistungen beantragen. Das entspricht einem Anteil von 70 Prozent, gemessen an der Gesamtzahl aller „Hartz IV Aufstocker“.

Vor allem Familien betroffen
Ganz besonders betroffen von dieser Entwicklung sind sogenannte Bedarfsgemeinschaften. Also Familie oder Paare, die ohne die staatlichen Leistungen nicht überleben können, obwohl mindestens ein Elternteil arbeiten geht. Bei den Single-Haushalten sei der Anteil laut schwarz-gelber Koalition etwas geringer, weil hier die Betroffenen beispielsweise weniger für die Kosten der Unterkunft aufbringen müssen. Das Bundesarbeitsministerium räumt aber in der Stellungnahme ein, dass die Lohnentwicklung im Dienstleistungssektor eher gering ausfällt und übermäßig viele Arbeitnehmer schlecht von ihren Arbeitgebern bezahlt werden.

Die OECD hatte eine Schwelle zum Niedriglohn bei 1802 Euro brutto im Monat festgelegt. Über 50 Prozent der Beschäftigten im Reinigungsgewerbe in Vollzeit verdienen in Deutschland noch nicht einmal die Hälfte davon. Ein Drittel der Verkäuferinnen oder Verkäufer verdient weniger, als die festgelegte Niedriglohnschwelle. Über zwei Drittel der Angestellten im Gastgewerbe liegen mit ihren Bezügen ebenfalls zum Teil deutlich darunter.

Mindestlohn könnte Entwicklung stoppen
Die Linke fordert in diesem Zusammenhang die Schaffung einen gesetzlich geschaffenen Mindestlohns, um die Menschen vor Hartz IV zu bewahren. „Der Dienstleistungssektor boomt und mit ihm die Niedriglöhne. Nur ein einheitlicher, gesetzlicher Mindestlohn kann dem Einhalt gebieten“, fordert die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linkspartei, Sabine Zimmermann. Es sei ein Unding, dass Reinigungskräfte, Verkäuferinnen oder Beschäftigte in Pflegeberufen gesellschaftlich „so gering geschätzt werden und trotzd Arbeit auf Hartz-4 angewiesen sind“.

Laut einer Studie des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) wurden rund zwei Milliarden Euro im letzten Jahr für „aufstockende Leistungen“ ausgegeben, damit Betriebe den Vollzeitbeschäftigten geringe Löhne zahlen konnten. „Diese Entwicklung muss endlich gestoppt werden“, fordert auch die Gewerkschaft.

Sanktionen fördern Niedriglohnsektor
Mit den im SGB II verankerten Sanktionen werden Arbeitslosengeld-II Bezieher dazu gezwungen, auch Niedriglöhne anzunehmen, obwohl sie dadurch nicht der Hartz IV-Falle entrinnen können. Die Linkspartei vermutet dahinter ein Systematik: Durch Sanktionsandrohungen müssen Erwerbslose auch schlecht bezahlte Arbeitsangebote annehmen und „prekäre Arbeitsverhältnisse“ eingehen, sagt Rohat Yildirim. Der Druck soll somit nicht nur auf Hartz IV-Bezieher, sondern auch auf alle Arbeitnehmer erhöht werden. Wer sich weigert, erhält immer eine Leistungskürzung. In einigen Fällen wurden sogar Schwangere sanktioniert, weil sie Billigjobs aufgrund ihrer Schwangerschaft ablehnten. Nicht selten werden die Leistungen dann auf Null gekürzt. (sb)

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