Was haben Erwerbslose, erwerbstรคtige Hartz IV-Bezieher und von Erwerbslosigkeit bedrohte Bรผrger von den Parteien zu erwarten?
27.08.2013
Kurz vor der Bundestagswahl 2013 mรถchte die Redaktion von gegen-hartz.de die Gelegenheit nutzen, um einen Blick ins Wahlprogramm einiger Parteien zu werfen. Da wir aus organisatorischen Grรผnden nur eine Auswahl der Parteien berรผcksichtigen kรถnnen, haben wir uns hier fรผr die einschlรคgigen, grรถรten Parteien entschieden. Dabei nehmen wir die arbeitsmarktpolitischen Themen im Wahlprogramm von CDU/CSU, SPD, Grรผne, FDP und Die Linke genauer unter die Lupe. Uns interessiert vor allem, was Erwerbslose, erwerbstรคtige Hartz IV-Bezieher und von Erwerbslosigkeit bedrohte Bรผrger nach der Wahl in den kommenden vier Jahren von den einzelnen Parteien zu erwarten haben. Dabei versuchen wir die Aussagen der einzelnen Parteien so sachlich und so objektiv wie mรถglich zusammenfassen.
CDU/CSU
Die CDU/CSU hรคlt โ trotz einschlรคgiger Studien, die eindeutig belegen, dass der Regelsatz nicht ausreicht, um das Existenzminimum zu sichern โ an der bisherigen Hรถhe des Hartz IV-Regelsatzes fest. Auch den Sanktionen gegen Hartz IV-Bezieher steht die Partei keinesfalls kritisch gegenรผber. Wรคhrend 2009 noch von โAnreizen zur Arbeitโ im Wahlprogramm die Rede war, wird das Thema Hartz IV aus dem aktuellen โRegierungsprogramm 2013 bis 2017โ quasi ausgeklammert. Statt dessen freut sich die CDU/CSU, darรผber, dass noch nie so viele Menschen in unserem Land Arbeit hatten wie heute und dass sich die Arbeitslosenquote seit der rot/grรผnen Regierung fast halbiert hat. โWir wollen dazu beitragen, dass sich fรผr noch mehr Menschen gute Chancen erรถffnen, ihr Leben selbst zu gestalten, und, dass sie insgesamt ein Einkommen erzielen kรถnnen, mit dem sie fรผr sich und ihre Familie sorgen kรถnnenโ, heiรt es im Wahlprogramm der Partei. Wie das genau erreicht werden soll, wird aber nicht nรคher erlรคutert.
Grundsรคtzlich hรคlt die CDU/CSU an einer mรถglichst schnellen Integration von Erwerbslosen in den Arbeitsmarkt fest, wobei der Fokus der Partei weiterhin auf โschnellstmรถglichโ und nicht etwa auf einer nachhaltigen Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt liegt.
Von Mindestlรถhnen hรคlt die Partei auch nicht viel. โEine Lohnfestsetzung durch die Politik lehnen wir abโ, heiรt es dazu. Dort, wo es bisher noch keine Tarifvertrรคge gibt, soll eine gesetzliche Verpflichtung fรผr Arbeitgeber und Gewerkschaften greifen, gemeinsam einen tariflichen Mindestlohn zu finden, wobei regionale und branchenspezifische Unterschiede gemacht werden kรถnnen.
Auch beim Thema Leiharbeit zeigt sich die Christdemokraten eher wenig christlich. Denn statt Equal Pay (gleiche Bezahlung des Leiharbeiters wie des Stammarbeiters fรผr die Dauer der Beschรคftigung) hรคlt die CDU/CSU an der Mรถglichkeit zu Abweichungen durch Tarifvertrรคge fest.
FDP
Die FDP versucht es in diesem Wahlkampf mit โBรผrgernรคheโ und hat ihr Programm ganz originell โBรผrgerprogrammโ genannt. Die Partei will Sozialleistungen fรผr Hilfebedรผrftige und Erwerbslose in einem liberalen Bรผrgergeld zusammenfassen. โWer sich anstrengt und eine Arbeit annimmt, der soll im Bรผrgergeldmodell mehr von seinem Einkommen habenโ, schreibt die Partei. Sanktionen gegen Hartz IV-Bezieher sollen aber bleiben. Grundsรคtzlich plant die FDP, das Fallmanagement und den Betreuungsschlรผssel bei der Arbeitsvermittlung zu verbessern. Na, wenigstens etwas.
Die Liberalen sprechen sich klar gegen die Einfรผhrung eines gesetzlich festgelegten Mindestlohns aus. Es ist von einem โfunktionierenden Niedriglohnsektorโ die Rede. Wer sich nun fragt, was das sein soll, liest bei der Partei dazu Folgendes: โKeine politischen Lรถhne, aber auch keine dauerhafte Subventionierung fรผr unterbezahlte Arbeit durch die รถffentliche Hand. Daher machen wir uns fรผr weitere Lohnuntergrenzen stark, die nach Branchen und Regionen differenziert und von den Tarifparteien festgesetzt werden sollen.โ Da ist es keine รberraschung, dass die FDP selbstverstรคndlich auch an den derzeitigen Regelungen fรผr den Minijobs festhรคlt.
SPD
Die SPD hรคlt sich beim Thema Hartz IV-Regelsรคtze eher bedeckt und setzt sich fรผr verfassungsfeste Regelsรคtze ein, nach dem Motto โSoll doch das Bundesverfassungsgericht entscheiden, ob der Regelsatz zu niedrig ist oder nichtโ. Eine Abschaffung oder eine Aussetzung der Sanktionen gegen Hartz IV-Bezieher plant die Partei nicht.
Die SPD spricht sich dafรผr aus, dass Erwerbslose keine unter ortsรผblichem Tarif bezahlte Arbeit annehmen mรผssen. Erwerbslose sollen zudem besser betreut werden, so dass die Vermittlung in sozialversicherungspflichtige Beschรคftigungsverhรคltnisse des ersten Arbeitsmarktes gefรถrdert wird.
In Puncto Minijob will die SPD grundlegende arbeitsrechtliche Ansprรผche fรผr die Arbeitnehmer, die auch in sozialversicherungspflichtigen Beschรคftigungsverhรคltnissen bestehen, durchsetzen. โWir wollen dafรผr sorgen, dass die Umgehung des Arbeitsrechtes auch bei Mini-Jobs kรผnftig ausgeschlossen und deren soziale Absicherung verbessert wirdโ, heiรt es im Wahlprogramm der Partei.
Die SPD spricht sich zudem fรผr die Einfรผhrung eines einheitlichen, flรคchendeckenden, gesetzlich festgelegten Mindestlohn von 8,50 Euro aus, der in allen Beschรคftigungsverhรคltnissen โ auch fรผr Minijobs โ gelten soll.
Beim Thema Leiharbeit fordert die Partei den gleichen Lohn fรผr die gleiche Arbeit, also: Leiharbeiter sollen das Gleiche verdienen wie die Stammbelegschaft. Zudem will die Partei das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Leiharbeit ausbauen. Eine sachgrundlose Befristung lehnt die Partei ab.
Bรผndnis 90/Die Grรผnen
Die Grรผnen fordern eine Erhรถhung des Hartz IV-Regelsatzes auf 420 Euro. Zudem soll an Stelle des Bildungs- und Teilhabepakets der Kinderregelsatz angehoben werden. Bis eine neue Regelung ausgearbeitet ist, fordert die Partei ein Sanktionsmoratorium.
Bei der Arbeitsvermittlung setzen die Grรผnen auf Nachhaltigkeit. Es sollen bessere Weiterbildungsmรถglichkeiten fรผr Erwerbslose geschaffen werden. Zudem sollen diese ein Mitspracherecht bei der Wahl der Maรnahme haben.
Wie der Tagesspiegel berichtet, sollen durch den Abbau รถkologisch schรคdlicher Subventionen, die Anhebung des Spitzensteuersatzes, einer hรถheren Erbschaftssteuer sowie weiterer Maรnahmen der Partei zufolge ab 2014 rund 12 Milliarden Euro fรผr neue Ausgaben zur Verfรผgung stehen. Davon soll mehr als ein Viertel in die Sozialpolitik flieรen. So sollen nicht nur die Regelsรคtze anhoben werden, sondern die Kommunen auch mehr Geld beispielsweise fรผr die Integration von Behinderten erhalten.
Die Grรผnen sprechen sich fรผr einen allgemeinen, gesetzlich festgelegten Mindestlohn in Hรถhe von 8,50 Euro sowie fรผr gleiche Lรถhne und Rechte fรผr Leiharbeiter und Stammbelegschaft aus. Zudem sollen Leiharbeiter einen Flexibilitรคtsbonus erhalten.
Die Anzahl von Minijobbern soll pro Betrieb begrenz werden. Das gleiche gilt fรผr die Stundenanzahl. Die Grรผnen setzen sich fรผr die Gleichbehandlung von Minijobbern und sozialversicherungspflichtig Angestellten ein.
Die Linke
Die Linke hat in ihrem Wahlprogramm den Schwerpunkt auf soziale Gerechtigkeit gelegt. Dabei sollen Reiche durch Steuererhรถhungen stรคrker zur Kasse gebeten werden. Das Geld soll dann in hรถhere Sozialleistungen fรผr Einkommensschwache flieรen.
Die Linke fordert die langfristige Abschaffung von Hartz IV (โHartz IV muss Weg!โ). Bis dahin soll รผbergangsweise der Eck-Regelsatz auf 500 Euro je Person angehoben und jรคhrlich an die Lebenshaltungskosten angepasst werden. โAuch bei Erwerbslosigkeit mรผssen die sozialen Leistungen den vorher erreichten Lebensstandard annรคhernd sicherstellen. Die Linke fordert ein Erwerbslosengeld, das leichter zugรคnglich ist und lรคnger gezahlt wird. Selbstรคndige wollen wir in die Erwerbslosenversicherung einbeziehen, so dass sie im Falle einer Insolvenz Anspruch auf Erwerbslosengeld habenโ heiรt es im Wahlprogramm der Partei. Sanktionen und Ein-Euro-Jobs sollen zudem ausnahmslos abgeschafft werden. โAlle Erwerbslosen sollen unabhรคngig von der Dauer ihrer Erwerbslosigkeit einen Rechtsanspruch auf Fรถrderung und Weiterbildung habenโ, fordert die Partei.
Die Linke will einen flรคchendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn von zehn Euro und spรคter von mindestens zwรถlf Euro einfรผhren. Minijobs sollen sozialversicherungspflichtig und die Leiharbeit langfristig abgeschafft werden. Bis dahin soll in der Leiharbeit EqualPay gelten und eine Flexibilitรคtszulage von zehn Prozent gezahlt werden. Die Dauer von Leiharbeit soll auf wenige Monate begrenzt und sachgrundlose Befristungen abgeschafft werden. Die Linke fordert darรผber hinaus einen flรคchendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro. Diese Summe sei notwendig, um wenigstens im Alter eine Armutsfeste Rente zu bekommen.
Fazit:
Wie bereits bei der letzten Bundestagswahl kรถnnen wir aus Sicht der prekรคr Beschรคftigten und Erwerbslosen nur eine Wahlempfehlung abgeben und zwar fรผr die Partei โDie Linkeโ. Hier werden im Groรen und Ganzen die Forderungen im Wahlprogramm aufgestellt, die wir selbst im Alltag verfolgen. Dazu gehรถrt der gesetzliche Mindestlohn von minimum 10 Euro, die Abschaffung aller Sanktionen sowie die Schaffungen einer menschenwรผdigen Mindestsicherung. Es hat sich auch gezeigt, dass die Linke vielerorts mal gut mal weniger gut Erwerbslosenberatungen anbietet und ebenfalls politischen Druck auf die anderen Parteien ausรผbt. Als Beispiele seien hier die Initiative fรผr ein Sanktionsmoratorium sowie zahlreiche kleine Anfragen an die Bundesregierung genannt, die so manche Schweinereien aufdeckten.
SPD und Grรผne fordern ebenfalls Hartz IV-Reformen. Die Grรผnen wollen ebenfalls den Regelsatz anheben und die Sanktionen zunรคchst aussetzen. Auch fordern beide Parteien einen gesetzlichen Mindestlohn. Unserer Auffassung nach sind diese Forderungen weniger glaubwรผrdig, zumal beide Parteien fรผr die Einfรผhrung von Hartz IV hauptverantwortlich sind. Die (kleine) Rolle Rรผckwรคrts kann auch als Wahlkampfmanรถver verstanden werden, wobei die Absichten der Grรผnen noch etwas glaubwรผrdiger erscheinen. Dennoch, wer hofft durch die Wahl beider Parteien einen Wandel herbei fรผhren zu kรถnnen, kรถnnte wie damals zu Zeiten der Agenda 2010 schnell enttรคuscht werden. Wie ist Ihre Meinung zu dem Thema? Wir haben hier eine Kommentarfunktion eingerichtet:
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